Ein ganzes Dorf gab Spucke ab

Polizei will mit genetischem Fingerabdruck Mädchenmorder finden

Vechelde (dpa). Mit Hilfe des sogenannten genetischen Fingerabdrucks von 1300 Männern will die Polizei dem Mörder der 18jahrigen Yasmin Stieler auf die Spur kommen. Nachdem ein Spaziergänger die verstümmelte Leiche der Schülerin Anfang Oktober bei Vechelde im Landkreis Peine gefunden hatte, baten die Ermittler für Sonnabend und Sonntag alle Männer des Ortes zwischen 18 und 50 Jahren zum Speicheltest und zur überprüfung ihres Alibis sowie ihrer Wohnverhältnisse. Bis kurz vor Schluß der spektakulären Aktion ließen sich rund 1100 Männer von den 26 Ermittlern in der Grund- und Hauptschule des 5000-SeelenDorfes überprüfen. Rund 150 Männer baten um einen anderen Termin. Sie sollen in den kommenden Tagen überprüft werden.

Die Speichelproben werden jetzt mit der genetischen Struktur eines Haares verglichen, das die Kriminalisten bei der Leiche gefunden hatten. Der Leiter der Mordkommission, Rainer Jendrsczok, rechnet sich große Chancen aus, dem Täter damit auf die Spur zu kommen. Ergebnisse werden allerdings erst in einigen Wochen vorliegen. .Auf dem Parkplatz der Schule war am Wochenende nur schwer ein freier Platz zu finden, denn fast alle Vechelder zeigten Verständnis. Die Zeit sollte jeder übrig haben, meinte auch Holger Radeke. Als Vater einer 15jahrigen Tochter sei er seit dem grausamen Mord sehr beunruhigt und hoffe, daß die Polizei den Täter bald fasse.

FÜr Björn Brandes und Thorsten Bock war es keine Frage, der Vorladung nachzukommen. Es ist schon bitterböse, daß eine Leiche in unserem Dorf gefunden wurde', meinte Bock. Nicht nur Einsicht, auch ein bißchen Druck verspürte dagegen Brandes: "Die Befragung ist zwar freiwillig. Aber in dem Brief steht auch, daß man bei Nichterscheinen mit einer Vorladung zum Staatsanwalt rechnen muß."- Und mit den Behörden wollte er keinen Arger haben.

Ob Yasmins Mörder tatsächlich aus Vechelde stammt, ist unklar. Ihr Fundort läßt aber vermuten, daß der Täter Ortskenntnisse hatte. "Die Überprüfung dient dem Ausschluß von vielen Verdächtigen", sagt Staatsanwalt Karl-Heinz Reinhardt.

In rund sechs Mordfällen hat die deutsche Polizei in den vergangenen Jahren zu ähnlichen Massenüberprüfungen gegriffen.

(WESER-KURIER 16.12.96)